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[ Berichte > Berichte für das Jahr 2008 > Bericht vom 15.08.2008 ]

Pleite - auch auf unsere Kosten

Zwei Tage Olympia ohne Besuch eines Sportereignisses - wie steckt man das als Sportler weg? Nun, wir Freien Schwimmer haben aus der Not (keine Tickets zu bekommen, trotz zum Teil großer Lücken in den Zuschauerrängen) eine Tugend gemacht und die Gelegenheit genutzt, uns noch intensiver mit der Kultur des Gastgeberlandes auseinanderzusetzen. So besichtigten wir neben der verbotenen Stadt, dem Kaiserpalast und der Großen Mauer (wie bereits berichtet) noch den Lama-Tempel sowie den wunderschönen Sommerpalast mit seinen weitläufigen Gartenanlagen. Diese schienen auch dem Tennisstar Roger Federer zu gefallen, denn er wurde dort gesichtet. Leider konnten wir ihm nicht schnell genug auf eine Anhöhe folgen, sodass er von unseren Autogrammwünschen verschont blieb.

Anders verlief die Angelegenheit für zwei Mitglieder der US-Schwimm-Mannschaft, die von unseren Mädels in der Silk-Street gestellt wurden. Sie durften nicht eher ihren Einkäufen nachgehen, bevor sie ihren Namenszug verewigt hatten und einem Foto zustimmten. Dass die beiden Weltklasseschwimmer überhaupt auffielen, war schon verwunderlich, denn was in dem riesigen Einkaufskomplex auf sieben Etagen geboten wurde, hatten wir in dieser Form noch nicht erlebt. Hunderte von Geschäftsständen reihten sich aneinander, es war kaum ein Durchkommen möglich, und reizende Chinesinnen nötigten uns geradezu, doch unverbindlich mal hereinzuschauen.

Damit war es mit der Freiwilligkeit auch schon getan. Kleidungsstücke bekannter Nobelmarken wurden einem in die Hand gedrückt oder über die Schulter gelegt. Fleißig wurden Preise in einen Taschenrechner getippt, was immer ein ablehnendes "No!" zur Folge hatte, schließlich hatten wir uns inzwischen auf die chinesische Geschäftsmentalität eingestellt. So wurden dann so lange Gegenangebote unterbreitet, bis man einen für beide Seiten akzeptablen Preis erzielt hatte. Nur gut, dass im Hause ein Geldautomat zur Verfügung stand, der bereitwillig für Nachschub sorgte.

Ähnliches, allerdings in einer ganz anderen Preisklasse, hatten wir Tags zuvor im Lufthansa-Center erlebt. Eigentlich wollten wir dort nur mal wieder richtig deutsch Essen gehen, was wir dann auch in einer typisch bayrischen Gaststätte taten. Niemals zuvor waren wir von Chinesinnen in Dirndln bedient worden, und die Qualität der Speisen war wirklich klasse!

Im Kaufhaus selber hatte unsere Gruppe bereits Aufsehen erregt, als wir es betraten. Sofort fragte man uns nach unseren Wünschen und als die ersten Käufe getätigt worden waren, eilte sogleich die Geschäftsleitung in zahlenmäßig beachtlicher Stärke herbei, um für ein Foto zu posieren. Überall wurden wir geradezu freundschaftlich behandelt, und beim Verlassen des Hauses gab es noch ein herzliches Winken.

Obwohl wir eigentlich ziemlich erschöpft waren, zog es und abends noch einmal nach draußen. Das Houhai-Viertel rund ums Marmorbrückchen Yinding Quio, das die Seen Houhai und Quinhai trennt, war unser Ziel. Dort sollte ab Einbruch der Dunkelheit richtig was los sein - und wir wurden nicht enttäuscht! Wir spazierten am Ufer entlang und schauten dem Treiben auf den beleuchteten Booten zu, die sich zu dieser Zeit noch auf dem Wasser befanden.

Unser Interesse war an diesem Abend auf der Landseite. Dort wurden nämlich die verrücktesten Utensilien angeboten, kitschig und eigentlich gar nicht zu gebrauchen. Wir erprobten einige futuristische Brillen, durch die man natürlich so gut wie nichts sehen konnte, was ja auch wohl im Sinne des Erfinders war. Kein böses Wort, als wir nach einem Gruppenfoto zu verstehen gaben, dass wir nun wirklich nichts kaufen wollten.

In einer Bar mit Live-Musik erholten wir uns schließlich in schweren Plüschsofas von unserem nächtlichen Treiben. Als ob sie endlich herausfinden wollten, warum man uns so viel Beachtung schenkte, nutzten einige FSWler die Gelegenheit, sich von einem Künstler zeichnen zu lassen. Das Resultat konnte allerdings keine Antwort auf die Frage geben.

Morgen früh werden wir wieder im National Aquatics Center zu Gast sein und die bisher klägliche Vorstellung der deutschen Schwimmer verfolgen. Bei unserem ersten Besuch war uns bereits aufgefallen, dass Trainer, Betreuer und Aktive wie versteinert auf ihren Plätzen verweilten. Es gab kaum einen Anfeuerungsversuch, kein Aufbäumen seitens der deutschen Delegation, die im Vorfeld der olympischen Spiele viele, viele Euros für eine "professionelle" Vorbereitung auf Kosten der Vereine ausgegeben hatte. Auch auf Kosten der Freien Schwimmer Wegberg!

Wenn nun schon von Seiten unserer deutschen Mannschaft nicht viel zu erwarten sein wird, so hoffen wir insgeheim darauf, einen Weltrekord - von wem auch immer (wahrscheinlich von US-Sportlern) - live miterleben zu können.

Die Olympa-Tour der Freien Schwimmer aus Wegberg geht heute zu Ende.

Von Wolfgang Bley
Quelle: Rheinische Post, 15.08.2008