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[ Berichte > Berichte für das Jahr 2011 > Bericht vom 17.09.2011 ]

Mauerbau - Lebendige Geschichte

Fünf Zeitzeugen mit Wurzeln im Osten Deutschlands erzählten auf Einladung der Fachschaft Geschichte im Maximilian-Kolbe-Gymnasium Wegberg vom 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus. Um Laufe der über zwei Stunden beantworteten sie auch viele Fragen der Schüler.

Fünf Menschen erzählten in Wegberg lebhaft vom 13. August 1961. Hans Jürgen Knubben (r.) und Marita Dewies (2.v.r.) moderierten. (RP-Foto: Günter Passage)

Der Mauerbau markiert eine Zäsur in der deutsch-deutschen Geschichte. Den Ablauf der Ereignisse kennt man aus Geschichtsbüchern oder dem Fernsehen. Für ihre Veranstaltung "Zeitzeugen - Der 13. August 1961" holte die Fachschaft Geschichte des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums fünf Zeitzeugen aufs Podium. Lebhaft erzählten diese über zwei Stunden lang vor vielen Zuhörern ihre ganz persönlichen Erlebnisse zum Mauerbau und beantworteten auch viele Fragen der Schüler.

"Kinder, wacht auf! In Berlin wird eine Mauer gebaut!" Diese Erinnerung ist für Michael Kranz, Lehrer am Max-Kolbe, die prägendste. Damit wurde er geweckt. Nachts zwischen 4 und 5 Uhr hockte sich die Familie am 13. August vor das Radio und horchte bis zum Morgen. "Es war der einzige Moment im Leben, in dem ich meinen Vater weinen sah", erzählte Kranz. Nur wenige Monate zuvor war der Familie die Flucht in den Westen geglückt. Waren die Tränen Freude, es noch geschafft zu haben, oder Trauer über den Mauerbau? Es sei ein Versäumnis, diese Frage nie gestellt zu haben, bekannte Kranz.

Durch Wiesen und Hinterhöfe

Ganz anders die Erlebnisse von Horst Lüdtke aus Wegberg. Er floh nach dem Mauerbau zu Anfang des Jahres 1962 nach West-Berlin. Fuhr mit dem Motorrad, ging durch Wiesen und Hinterhöfe und kletterte schließlich an einer ausgekundschafteten Stelle über die damals noch aus Zäunen bestehende Mauer. "Waren sie sich über die Konsequenzen der Flucht bewusst?", fragte eine Schülerin. "Ja", antwortete Lüdtke trocken. Er sei in der DDR zu oft angeeckt, da habe er die Gefahr auf sich genommen.

"Mich hat die Flucht meine ganze Jugend gekostet", sagte die Wegbergerin Emmi Hüpkes-Klingen bitter. Sie war noch zu klein, um zu verstehen, warum die Eltern aus der DDR flohen und sie ihre Freunde verlassen musste. "Ich war stinksauer. Das war keine schöne Zeit für mich", meinte sie rückblickend. Erst ein späterer Besuch im Osten ließ sie die Schwächen des Nachbarstaates erkennen.

Die sah Gisela Johlke aus Heinsberg schon beim Besuch Adenauers in Berlin kurz nach dem Mauerbau. Sie war mit ihrer Familie aus Pommern in mehreren Stationen in den Westen geflohen und zu Adenauers Besuch auch in Berlin. "Die ganzen Parolen und Hetze im Osten haben mir den Staat verhasst gemacht", sagte Johlke.

Eine gänzlich andere Sichtweise präsentierte Klaus Romanski, der eigens für diese Veranstaltung aus Berlin angereist war. Er war im Osten Deutschlands geblieben und schrieb zu der Zeit an seiner Diplomarbeit. "Die Freiheit, sich zu bewegen, hatte man uns genommen. Aber im Kopf konnte man frei sein", sagte er.

Durch Tunnel in die Freiheit

Nicht nur die Zeitzeugen erzählten aus ihrem Leben. Auch Besucher meldeten sich zahlreich zu Wort. Wie konnte man am besten in den Westen fliehen? Dazu dachten sich Bürger der DDR verschiedene Lösungen aus.

Benjamin Jackszis erzählte dazu die spektakuläre Geschichte seines Vaters, der durch einen selbstgebauten Tunnel in den Westen Berlins floh. Ausgangspunkt der Flucht war das Betriebsgelände der Firma Bergmann-Borsig, genau gesagt ein Trafohaus direkt an der Grenze. Dort ließ sich sein Vater über Pfingsten 1962 einschließen und grub sich mit zwei Kollegen von einem porösen Lichtschacht aus etwa acht Meter weit bis zur Mauer. Auf dem Betriebsgelände bestand sie aus Ziegeln.

Doch der Weg in die Freiheit blieb nach Fertigstellung des Tunnels gefährlich. Durch einen Versprung vor der Mauer gehörte ein Streifen im Westen strenggenommen zur DDR. Genau dort kamen die Flüchtenden aus. Zwei Wachtürme sicherten das Gebiet (waren ohne Wissen der Flüchtenden zu dieser Zeit jedoch nicht besetzt).

Die DDR-Grenzer hätten dort nach politischer Vorgabe schießen dürfen. Jackszis' Vater ging als Erster und rannte in eine Unterführung. An dieser Stelle hörte er, wie ein Gewehr durchgeladen wurde. "Könnte ihr euch vorstellen, wie sich mein Vater da gefühlt hat? Wenn er davon erzählte, bekam ich immer eine Gänsehaut", sagte Jackszis. Glücklicherweise war es die Westpolizei. Hätten die DDR-Grenzer die Flüchtenden entdeckt und geschossen, so habe er später erfahren, hätte die Westpolizei wohl Richtung Mauer geschossen.

Rund um den Abend

Organisation: Die Fachschaft Geschichte veranstaltete den Abend.
Moderation: Die Lehrer Marita Dewies und Hans-Jürgen Knubben führten durch die Diskussion.
Besuch: Einige der Zeitzeugen hatten Klassen des Gymnasiums bereits im Vorfeld besucht.
Ausstellung: Zur Veranstaltung gehört eine Ausstellung in der Schule, die Hintergründe des Mauerbaus erläutert.

Von Carsten Preis
Rheinische Post, 16.09.2011 (Seite C3)