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Vorlesetag am Wegberger Gymnasium - Wie man die Liebe zur Literatur weckt

Am bundesweiten Vorlesetag besuchten Oberstufenschüler des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums die unteren Jahrgänge, um ihnen ihre Lieblingsbücher vorzustellen. In vielen Familien gerät das Vorlesen in Vergessenheit.

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Die beiden Oberstufenschüler Tim Lintzen (l.) und Matthias Bieker (2. v. l.)
lasen der Klasse 7c im Maximilian-Kolbe-Gymnasium aus "Stille Nacht,
düstere Nacht" vor. (RP-Foto: Stephan Vallata)

Geschichten werden erzählt. seit es Menschen gibt – und sie sprachmächtig wurden. Vom Anbeginn des Zeitalters des Homo sapiens kursieren schon Erzählungen, also lange vor Erfindung der Schrift. Sie schaffen Gemeinschaft, überdauern Generationen und machen die Welt, in der wir leben, verständlich. Damals geschah dies wohl am Lagerfeuer in Form mündlicher Überlieferungen, heute bedienen wir uns vornehmlich schriftlicher Dokumente. Sprich: Bücher. Oberstufenschüler des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums (MKG) setzten demnach eine jahrtausendealte Tradition fort, als sie am bundesweiten Vorlesetag die fünften, sechsten und siebten Klassen besuchten, um sie für Literatur und gleichzeitig das gesprochene Wort zu begeistern. Das ist nicht unbedingt einfach in einer Zeit des multimedialen Dauerfeuers, in der das Vorlesen - und auch das Zuhören – als rein analoge Kulturtechnik längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind.

Matthias Bieker und Tim Lintzen haben sich passend zur anstehenden Adventszeit für "Stille Nacht, düstere Nacht" aus der Jugendbuchreihe "Die drei Fragezeichen" entschieden. Das Detektiv-Trio, bestehend aus Justus, Peter und Bob, bekommt es darin auf einer Spielzeugmesse mit einem ebenso kniffligen wie spannenden Fall zu tun. Ihnen bleiben nur 24 Stunden Zeit, um den Anschlag auf das Leben eines Festredners aufzuklären. "Jedes Kapitel erzählt genau eine Stunde", erklärt Tim. "Deshalb eignet sich das Buch besonders gut fürs Vorlesen". Bei der Auswahl des passenden Werkes haben sich die beiden Vorleser aus der Jahrgangsstufe 11 (Q1) an dem orientiert, was sie als Zwölf- oder Dreizehnjährige selbst besonders gut fanden. "Die Geschichte kenne ich, seit ich ein Kind bin", sagt Matthias. "Ich erinnere mich nur an wenige, die so schön waren." Am Ende der Vorlesestunde gibt es noch eine kleine Überraschung für die Schüler der 7c: "Weil ihr alle so gut zugehört habt, haben wir noch eine kleine Urkunde für euch."

Nach Angaben der Initiatoren des bundesweiten Vorlesetages - das sind die Zeit-Verlagsgruppe, die Deutsche Bahn-Stiftung und die Stiftung Lesen - lesen Eltern ihren Kindern in etwa jeder dritten Familie selten oder nie vor. "Diese Kinder müssen einen Bildungsrückstand gegenüber Gleichaltrigen aufholen, denen zu Hause von klein auf regelmäßig vorgelesen wurde", sagt Richard Lutz, Beiratsvorsitzender der Deutsche Bahn-Stiftung. Gründe für diesen Abwärtstrend können neben der Nutzung anderer Medien sowie fehlender Zeit und Lust auch eingeschränkte Lesefähigkeiten, wenig Erfahrung sowie Unsicherheiten der Eltern sein.

"Eine traurige Entwicklung", findet Schulleiterin Maj Kuchenbecker. Neben der Freude am Lesen gehe so vor allem auch das Zwischenmenschliche verloren. Die Fachschaft Deutsch, die den Vorlesetag am MKG organisiert, möchte gegensteuern und kann auf tatkräftige Unterstützung aus der Oberstufe bauen. "Wir haben zum allerersten Mal mehr Vorleser als Klassen", sagt Deutsch-Lehrerin Sabine Kellenter freudig. Mehr als 20 Schüler hätten sich bereit erklärt, die unteren Jahrgänge als Vorleser zu besuchen, ergänzt Stephanie Gatzen. Sogar auf die große Pause wurde das Angebot ausgeweitet, damit jeder Freiwillige in Aktion treten konnte. "Wir finden es sehr wichtig, dass die Großen etwas für die Kleinen machen", so Sabine Kellenter mit Blick auf deren Vorbildfunktion.

Die Lesekompetenz spielt im Schulbetrieb auch an anderen Stellen eine bedeutende Rolle: So hält die Schulmediothek, die von Wilma Blajer und Anrea Stever geleitet wird, 10.000 Titel bereit, darunter Fachbücher, aber auch Belletristik. Zusätzlich stehen 36 Computer-Arbeitsplätze zur Verfügung. Und auch am Vorlesewettbewerb des Börsenvereines des Deutschen Buchhandels beteiligt sich das MKG.

Zeichen setzen für die Bedeutung des Vorlesens

Ursprung: Der Vorlesetag, eine Initiative von Die Zeit, Deutsche Bahn-Stiftung und Stiftung Lesen, setzt jährlich ein Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens und hat sich als bundesweites Vorlesefest etabliert.

Von Stephan Vallata
Rheinische Post, 19.11.2022