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Ein Markt der Möglichkeiten

Menschenmassen, aufgeregtes Gewusel und lautstarkes Stimmengewirr. So stellt man es sich an der Börse vor. Auf dem glatten Parkett des Aktienmarktes. Wenn es am Samstag in Wegberg zwar nicht um Wertpapiere, dafür aber um das mindestens genau so wertvolle Thema Berufswahl ging, dann trug die "Job-Info-Live", veranstaltet von den drei weiterführenden Schulen und der Stadt, ihren Beinamen Berufsinformations-Börse zurecht. Die Atmosphäre ähnelte sich. Mit dem Unterschied, dass sich dort hauptsächlich Jugendliche auf dem glatten Parkett des Ausbildungsmarktes bewegten.

Nachgefragt mit Konzept

Von Uberforderung angesichts von mehr als 90 Teilnehmern der Börse, die ihre Berufe von A wie Altenpflege bis Z wie Zahntechniker vorstellten, konnte aber keine Rede sein. Am Eingang zum Maximilian-Kolbe-Gymnasium eine Liste mit allen Berufen und Standnummern geschnappt und rein ins Getümmel. Nicole Klar (16) und Anne Houben (15) gingen es - frauentypisch - zu zweit an: Erst zu Annes Favoriten in Sachen Medizin und Biologie, dann prüfte Nicole den Job von Grafiker Michael Körner auf seine Tauglichkeit. "Ich finde die Börse gut, weil man hier persönlich mit den Leuten reden kann. Das ist doch besser, als sich alleine im Internet oder so informieren zu müssen", fand sie. Und aus dem Reden kamen die meisten gar nicht mehr heraus.

Es gab nur wenige Stände, die wenig Zulauf hatten. Und nicht jeder brauchte eine auffällige Präsentation: Flugkapitän Lehmann hatte im ersten Stock nichts weiter als sich selbst und seine Erfahrung an einem blanken Tisch und war doch den ganzen Vormittag von neugierigen Jungen umlagert. Viel gelobt wurde das wirkliche Interesse der Schülerinnen und Schüler, die nicht nur aus Wegberg sondern aus dem ganzen Kreis und darüber hinaus kamen. Wie Marco Wirtz (17) aus Erkelenz, der mit seinen Eltern gekommen war. "Wir waren vor vier Jahren mit unserer Tochter Daniela hier, und da hat sie ihr Interesse am Beruf der Bankkauffrau entdeckt",
erzählten die Eltern. Während die große Schwester bereits mitten in der Ausbildung steckt, hörte sich Marco am Samstag nach Berufen im IT-Bereich um.

Reden ohne Pause hieß es auch für Redakteur Stefan Claaßen am Stand der Rheinischen Post. "Wie werde ich Journalist?", "Was verdient man da?" und "Wo kommen die Storys her" waren nur einige der Fragen, die über die mitgebrachte Liste hinaus gingen. Antwort: Die schönsten Geschichten findet man bei guten Veranstaltungen.

Ehemalige und Genossen

Mit 30 Eltern, die ihre unterschiedlichen Berufen den Schülern vorstellten, hat die "Job-Info-Live", die jetzt zum neunten Mal stattfand, angefangen. Im Laufe der Zeit kamen unter den teilnehmenden Firmen aus der Umgebung auch ehemalige Schüler hinzu. Mit einem E-Mail-Aufruf wurden die "Ehemaligen" diesmal systematisch angeschrieben. Und kamen in großer Zahl - teilweise sogar von weither wie Starnberg, Rheinland-Pfalz oder Hamburg.

Abi am Maximilian-Kolbe-Gymnasium, Studium und Promotion in Aachen und Göttingen, ein Jahr Kanada, jetzt Diplom-Chemiker bei Tesa in Hamburg - so lautet etwa der Werdegang von Stephan Jauer, der den Schülern nicht nur seinen Beruf vorstellte, sondern auch andere Tipps im Gepäck hatte: "Hört tief in euch hinein, wo eure Interessen liegen und was euch Spaß macht. Nur so könnt ihr erfolgreich werden."

Zu den neuen Teilnehmern der Börse gehörte die Genossenschaft "Unser Wegberg", die mit zwölf Teilnehmern dabei war. Sie stellten ihre eigenen Berufe vor und präsentierten außerdem ihre neue Internetbörse, die seit Herbst in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium betrieben wird, Real- und Hauptschule sollen als Partner folgen. Hier werden ganz konkret Praktikums- und Ausbildungsplätze in Wegberger Unternehmen vermittelt. Erfolge gibt's schon zu vermelden.

Im Unterricht begleitet

Die Wegberger Schüler werden nicht unvorbereitet zur "Job-Info-Live" geschickt. Im Unterricht werden vorher Eckpunkte festgelegt, dann formuliert jeder seine Fragen, und manche üben das "Interview" mit den Fachleuten sogar im Rollenspiel. Diese Woche ist die Nachbereitung im Unterricht an der Reihe.

Von Kerstin de Haas
Rheinische Post, 18.02.2008, Seite B1