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Flucht aus der DDR mit 16

Der 76-jährige Manfred Henneick aus Wegberg berichtete am Mittwoch, den 22.03.2023 am MKG Wegberg vor Schüler*innen der Q2-Geschichtskurse von seiner Flucht 1962 aus der DDR.

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In ihrer Mittagspause hatten sich die geschichtsinteressierten Schüler*innen der Q2 in den Holzräumen eingefunden, um von dem Zeitzeugen über seine spannende Fluchterfahrung zu hören. Henneick hatte sich gut ein Jahr nach dem Mauerbau als 16-Jähriger dazu entschlossen, ohne seine Familie, die alleinerziehende Mutter und den jüngeren Bruder, in die BRD zu flüchten.

Die Entscheidung der DDR den Rücken zu kehren sei gefallen, nachdem ihm mehrere Male die eigenen Ausbildungswünsche nicht gewährt worden seien. Er habe in einem Staat, der ihn keine eigenen Entscheidungen treffen ließ, für sich keine Zukunft gesehen. Aus Angst entdeckt zu werden, hätten er und seine beiden Freunde bereits zwei vorangegangene Fluchtversuche abgebrochen. Beim dritten Versuch seien sie in tiefer Nacht durch unwegsames Waldgelände gerobbt, hätten einen Bachlauf durchquert, bevor sie durchnässt und schlammbedeckt in einem kleinen Gasthof im Westen angekommen seien. Mit 150 DM sei er komplett eingekleidet worden, nachdem er in einem Auffanglager für DDR-Flüchtlinge angekommen sei. Von da aus ging es Richtung Wuppertal bzw. später in Richtung Mönchengladbach, wo er mit Hilfe eines Betreuers für minderjährige Flüchtlinge einen Ausbildungsplatz in der Textilindustrie bekommen habe. Seine Mutter habe er erst zehn Jahre später wiedersehen können und dies auch nur dank der Reiseerleichterungen in Folge des 1972 unter Bundeskanzler Willy Brandt mit der DDR geschlossenen Grundlagenvertrages.

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In einer abschließenden Fragerunde interessierten sich die Schüler*innen z.B. dafür, inwiefern sein Leben in der DDR durch die Ideologie beeinflusst worden sei oder ob er tatsächlich ganz ohne finanzielle Hilfe in die BRD aufgebrochen sei.

Henneick erzählte seine Erlebnisse rund um den lebensverändernden Entschluss zu fliehen spannend und lebendig. Details veranschaulichte er durch Skizzen des Fluchtweges, Karten und einem selbstgebauten Modell zur damaligen Grenzbefestigung.

Die Schüler*innen bedankten sich mit Applaus für die authentischen Schilderungen des Zeitzeugen. Der Beifall war auch Ausdruck von Respekt, den die Zuhörer*innen Herrn Henneick zollten, der bereits als 16-Jähriger ohne Wissen und Unterstützung der Familie, ohne Geld und verwandtschaftliche Bindungen so mutig war, sein Leben selbst zu verantworten und aus einem System, das ihm seine persönliche Entscheidungsfreiheit genommen hatte, zu fliehen.

LK Geschichte (Jgst. Q2)