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> Bericht vom 03.07.2024 ]
Wegberger Schüler gedenken Kriegsopfern Rund 150 Jugendliche der Wegberger Schulen versammelten sich auf dem Rathausplatz, um 79 Jahre nach Kriegsende ein Zeichen für die Toten zu setzen. Die Schüler der drei weiterführenden Schulen stellten sich vor dem Rathaus im Kreis auf. (RP-Foto: Stadt Wegberg)
Sie bildeten einen Kreis auf dem Rathausplatz, hielten Banner mit der Aufschrift "Nie wieder ist jetzt" hoch, schwiegen bei einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus: Rund 150 Mädchen und Jungen der drei weiterführenden Schulen erinnerten jetzt an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Wegen des starken Regens war die Gedenkveranstaltung mit Jugendlichen aus dem Maximilian-Kolbe-Gymnasium, der Edith-Stein-Realschule sowie der Schule am Grenzlandring um einige Wochen verschoben worden. Bürgermeister Christian Pape begrüßte die Zehntklässler, die in Begleitung ihrer Schulleiter erschienen waren. "Es ist mir eine große Freude, so viele junge Menschen zu sehen", sagte der Verwaltungschef der Mühlenstadt. Und weiter: "Vor 79 Jahren ist Nazi-Deutschland von der Diktatur befreit worden." Pape verwies auf die Gedenktafel vor dem Rathaus. Dieser Erinnerungsort sei von jungen Menschen initiiert worden, um ihr Bedauern und ihre Bedrückung über die Ereignisse während der Zeit des NS-Regimes auszudrücken. Auch in Wegberg hätten zahlreiche Opfer ihr Leben gelassen. Deshalb dürfe man diese Zeit niemals vergessen. Der Erste Bürger verwies auf die Kundgebung zum Jubiläum 75 Jahre Grundgesetz, die erst vor wenigen Tagen ebenfalls auf dem Wegberger Rathausplatz stattgefunden hatte. Das Grundgesetz sei "ein Geschenk, wenn man an die Gräueltaten der Nazis zurückdenkt". Für die demokratische Grundordnung müsse man einstehen; sie sei, so Pape weiter, "ein Bekenntnis gegen Hass und Ausgrenzung, für Gleichheit, Toleranz und Miteinander". Pape rief die zahlreichen Anwesenden auf, sich zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen: "Es muss ein neues Miteinander geben." Die Schülersprecher erläuterten, dass sich die Realschüler, die die jährliche Gedenkveranstaltung diesmal organisiert hatten, umfangreich vorbereitet hätten – sie hatten unter anderem das Haus der Geschichte in Bonn sowie die Holocaust-Gedenkstätte in Waldniel besucht. Im Politik- und Geschichtsunterricht hatten sie sich ebenfalls mit den Ereignissen auseinander gesetzt. Dabei rückten die Mädchen und Jungen die bekannte Namensgeberin ihrer Schule in den Mittelpunkt, berichteten, was sie über Edith Stein herausgefunden haben. Dass sie zunächst als Hochbegabte in Breslau und Göttingen Philosophie studiert und promoviert habe und vor einer beachtlichen Karriere als Wissenschaftlerin gestanden habe. Durch ihre philosophischen Studien habe Edith Stein, die in eine jüdische Familie hineingeboren worden sei, den Weg zum katholischen Glauben gefunden. Mit 30 Jahren habe sie sich taufen lassen und sei zur Erstkommunion gegangen. "Viele nannten sie Brückenbauerin zwischen Juden und Christen", erzählten die Realschüler. Sie habe sich für sozial Benachteiligte eingesetzt und sei für die Rechte der Frauen eingetreten. 1933 sei sie ins Kölner Karmeliterinnenkloster eingetreten, um Gott näher zu kommen. Als konvertierte Katholikin sei Edith Stein immer weiter unter Druck geraten. Nach der Reichspogromnacht siedelte sie mit ihrer Schwester Rosa in die Niederlande über, lebte nun in einem Kloster in Echt. Dann die Verhaftung zahlreicher Ordensangehöriger im Rahmen einer groß angelegten Racheaktion der Nationalsozialisten, nachdem holländische Bischöfe 1942 einen Hirtenbrief gegen die Verfolgung der Juden verlesen hatten. Edith Stein und ihre Schwester Rosa wurden deportiert und in das Übergangslager Westerbork gebracht. Im Konzentrationslager Auschwitz wurde sie ermordet. "Wir möchten aktiv ein Zeichen setzen und uns gegen diskriminierendes Verhalten einsetzen", betonten die Wegberger Realschüler. Mit Franz Stappers stellten die Realschüler ein lokales Kriegsopfer vor. In Rickelrath soll im Januar ein Stolperstein verlegt werden, der an ihn erinnert. Der aus Issum stammende Stappers habe nach dem Abitur in Münster katholische Theologie studiert und sei 1909 zum Priester geweiht worden. Als Kaplan sei er anschließend 20 Jahre lang an verschiedenen Orten am Niederrhein tätig gewesen. Zum Pfarrer in Rickelrath sei er Ende Januar 1934 ernannt worden. Wegen angeblicher Homosexualität habe die Gestapo 1936 gegen ihn ermittelt und das Verfahren 1942 aus Mangel an Beweisen eingestellt. Wegen Rundfunkverbrechen wurde der Geistliche, der sich im Herbst 1941 mit anderen Geistlichen aus den Dekanaten Wegberg und Klinkum zu einer Besprechung getroffen hatte und dabei einen britischen Radiosender gehört hatte, verhaftet. Dafür wurde Stappers zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt. Bei seiner Entlassung sei er erneut von der Gestapo verhaftet worden - erneut fünf Jahre Zuchthaus wegen Rundfunkverbrechen, die er nicht überlebte, als er im Zuge einer schweren Erkrankung im Gefängnis völlig auf sich allein gestellt gewesen sei. Geschichte darf sich nicht wiederholen Realschüler Florian Schmitz fasste bei der Gedenkminute zusammen, worum es bei der Veranstaltung ging: "Wir können nichts für die schrecklichen Dinge, die passiert sind. Es liegt jedoch in unserer Verantwortung, dass dies nie wieder passiert." Von Daniela Giess Rheinische Post, 31.05.2024
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